Vom 16.09. – 25.09.2019 hatte ich die Gelegenheit, mir die Produktion von Radiosonden bei dem Unternehmen Graw Radiosondes GmbH & Co. KG in Nürnberg in Form eines Praktikums anzuschauen. Dabei habe ich fast jeden Schritt im Herstellungsprozess einer Radiosonde selber durchlaufen und konnte so einen Eindruck aus erster Hand gewinnen.

Zwei Dinge haben mich dabei am meisten erstaunt. Zum einem, wie viel Handarbeit in jeder Radiosonde steckt. Jede Sonde durchläuft von der Vorprüfung der Platine über die Montage und Kalibrierung bis hin zur Verpackung viele Einzelschritte und dürfte, bis Sie endlich in der Verpackung auf dem Weg zum Kunden ist, bestimmt zwei Dutzend Mal angefasst worden sein. Das andere ist, dass das, womit wir uns hauptsächlich beschäftigen, GPS, Mikrocontroller und Radio eigentlich kaum eine Rolle spielt im Vergleich zu dem Know-How, das in die Entwicklung, Herstellung und Kalibration der Sensoren einfließt.

Graw stellt im Moment drei unterschiedliche Arten von Radiosonden her: Die DFM-09, die DFM-17, ihr Nachfolgemodell, und die PS-15, eine Pilotsonde ohne TU-Sensoren. Abgesehen von der Kalibration der Sensoren, die für die Pilotsonde natürlich entfällt, ist die Herstellung für alle Sonden relativ ähnlich. Die Fertigung der Sensorträger erfolgt ebenfalls inhouse und ist für DFM-09 und -17 sehr ähnlich. Die Bodenstationen werden in der Gerätefertigung der Schwesterfirma Noris, die im gleichen Gebäudekomplex sitzt, montiert.

Zunächst soll die Herstellung eines Sensorträgers beschrieben werden. Grundmaterial ist eine flexible Leiterplatte, die extern hergestellt wird. Die Leiterplatten werden einzeln ausgestanzt geliefert. Je zehn Leiterplatten werden in ein auf Schienen befestigtes Gestell gelegt und befestigt. Auf die Pads für den Thermistor des Feuchtesensors (der erst viel später bestückt werden wird) wird mit einem Zeit-Druck-Dispenser Lötpaste aufgetragen, anschließend werden die Thermistoren der Baugröße 0402 von Hand bestückt. Unter dem Mikroskop werden die Thermistoren mit Heißluft verlötet und dabei manuell ausgerichtet.
Die Vorrichtung zum Bestücken der SMD-Thermistoren Immer zehn Sensorträger werden in einem Arbeitsschritt bestückt
Im nächsten Schritt werden die Thermistoren für die Temperaturmessung, die THT-Bauelemente sind, in einem ähnlichen Jig über den zugehörigen Pads auf den Sensorträgern platziert, Lötpaste wird aufgetragen und die Thermistoren unter Heißluft verlötet. Danach werden die Sensorträger in einem Ultraschallbad mit Waschbenzin von Flussmittelresten befreit.
Im nächsten Schritt werden die Thermistoren für die Temperaturmessung angebracht kleine Metallpins halten die dünnen Beinchen in Position
Anschließend wird unter dem Abzug auf die Lötstellen eine wärmehärtende Isolierpaste aufgetragen, die anschließend auf einer Wärmeplatte gehärtet wird. Dies dient neben dem mechanischen Schutz vor allem auch der Isolierung gegenüber der aufzubringenden Verspiegelung des Sensorträgers. In diesem Schritt wird auch ein Stück Kaptonband über dem Footprint des Feuchtesensors angebracht, sodass dieser nicht beschichtet wird. Die Verspiegelung des Sensorträgers und der Kappe über dem Feuchtesensor wird von einer externen Beschichtungsfirma durchgeführt. Dieser Prozess schließt nicht nur das Bedampfen mit Aluminium, sondern auch das zusätzliche Aufbringen eines Schutzlacks ein. Abschließend werden die beschichteten Sensorträger noch in einem Testjig auf Isolation/Durchgang der jeweiligen Kontakte geprüft und das (verspiegelte) Kaptonband wieder entfernt.
Beide Thermistoren bestückt, kann die Isolierpaste aufgetragen werden Ein Sensorträger vor und nach der Verspiegelung, allerdings schon mit bestücktem Feuchtesensor
Für die Sonden beginnt der Herstellungsprozess mit der Vorprüfung. Die bestückten Leiterplatten erreichen die Fabrik unprogrammiert, aber aus dem Nutzen getrennt und mit aufgelötetem Schalter/Taster in Pendelverpackungen von zwei Bestückern. Die Leiterplatten selbst kommen von zwei unterschiedlichen Herstellern in China.
Bei der Vorprüfung werden die Sonden elektrisch geprüft, programmiert und teilweise justiert bzw. kalibriert. Darüber hinaus erhält jede Sonde bei diesem Schritt Ihre Seriennummer, und das erste kleine Etikett.
Für die DFM-09 werden zunächst beide Leiterplatten, die noch mit perforierten Stegen verbunden sind, mit einem Flatflex-Kabel elektrisch verbunden. Anschließend wird die Sonde in ein Testjig gelegt, das automatisiert grundsätzliche Parameter wie die Stromaufnahme testet. Die Quartz- und die Oszillatorfrequenz wird über zwei Trimmkondensatoren eingestellt, die über zwei Schrittmotoren mit daran befestigten Wellen und Schraubendreherköpfen betätigt werde. Außerdem wird die Sonde programmiert und das GPS und 403-MHz-TX über koaxiale Testverbinder kontaktiert und getestet. Für die DFM-17 findet die Programmierung in temporärer Ermangelung eines solchen Jigs über den Groundcheck-Verbinder per Bootloader statt.
Die DFM-09 wird in das geöffnete Testjig gelegt Nach dem Schließen wird die Sonde automatisch programmiert und getestet
Anschließend werden die Sensorträger in den dafür vorgesehenen Steckverbinder auf der Leiterplatte gesteckt und die Sonden auf einem Fertigungswagen platziert. Danach kann die Temperaturkalibrierung vorgenommen werden. Dazu werden die Sonden in einen Trägerrahmen gesteckt und anschließend in Temperaturbädern bei unterschiedlichen Temperaturen kalibriert. Dabei wird als Flüssigkeit Ethanol bei den höheren und ein Kältemittel bei den tieferen Temperaturen eingesetzt. Während dieser Kalibrationen sind die Sonden über Pogo-Pins mit dem Kontrollsystem, das bei erfolgreicher Kalibrierung die Korrekturdaten auf das EEPROM auf der Sonde schreibt, verbunden.
In Temperaturbädern werden die Thermistoren kalibriert Während der Produktion werden je 250-300 Sonden auf einem Wagen gelagert
Nach diesem Schritt kann der Feuchtesensor aufgelötet werden. Auch hier kommt ein Reflow-Verfahren zum Einsatz, aufgrund der empfindlichen Natur des Sensors wird dieser allerdings mit einem Unterdruck-Sauger platziert und auf einer Hotplate verlötet. Anschließend kann der Feuchtesensor kalibriert werden. Dafür werden die Sensorträger von immer 16 Sonden gleichzeitig in einem von Luft variabler Feuchte durchströmten Kanal platziert. In diesen Kanal kann Luft eingeleitet werden, die durch Trocknungsmittel oder das Passieren einer Wasseroberfläche in ihrem Wasserdampfgehalt kontrolliert werden kann. Die Kalibration findet bei verschiedenen Feuchtegehalten, aber ausschließlich bei Raumtemperatur statt. Auch hier werden die Korrekturdaten für jede Sonde berechnet und bei erfolgreicher Kalibration auf dem EEPROM gespeichert.
Der Feuchtigkeitssensor wird von Hand bestückt Und auf einer Heizplatte verlötet Anschließend kann auch dieser Sensor kalibriert werden
Nun können die Lötarbeiten erfolgen. Diese umfassen bei der DFM-09 die Antenne, die Batterien und die Verbindungen beider Leiterplatten durch das RF-Shield und die GPS-Antenne, letzteres kann bei PS-15 und DFM-17 entfallen. Es schließt sich die Endkontrolle an, in der die Sonden in einem weiteren Teststand, der dem für die Feuchtekalibration ähnelt, überprüft werden. Hier werden verschiedene Parameter wie Plausibilität der PTU-Werte, Telemetriesender und GPS-Empfang überprüft. Zu diesem Zweck existiert in der Fertigung ein GPS-Repeater-System, dass das GPS-Signal mit einer Dachantenne empfängt und an Sendeantennen an jedem Prüfstand verteilt. Jede Sonde, die die Endkontrolle erfolgreich verlässt, wird einer optischen Sichtprüfung unterzogen und die Schutzkappe wird auf den Feuchtesensor gesteckt.

Anschließend wird die fertige Elektronik im Gehäuse montiert. Bei der DFM-09 erfolgt dies in zwei Arbeitsschritten. Zunächst wird das Sondenetikett ausgedruckt und auf das Gehäuse geklebt, die Sonde wird in das Gehäuse gelegt. Im zweiten Schritt wird der Deckel auf das Gehäuse geklebt, wozu wieder ein Zeit-/Druck-Dispenser zum Einsatz kommt. Bei der DFM-17 werden die Batterien eingesetzt und die Sonde auf Funktion (Einschalten) überprüft. Die maximale Batterielaufzeit, die Sonden beim Verlassen der Fabrik aufweisen dürfen, beträgt eine Minute. Die Sonde wird in das Styroporgehäuse platziert, der Deckel aufgesetzt und die Sonde mit einem Kabelbinder verschlossen, ehe das Sondenetikett aufgeklebt wird.
DFM-09 ohne Und mit Styroporhülle Auch DFM-09 für Ozonsondierungen verlassen die Fabrik Bei diesen wird das XDATA-Kabel an der Seite herausgeführt
Im letzten Schritt werden die Sonden verpackt. Grundsätzlich können Kunden zwischen einer Vakuumverpackung und einer normalen Kartonverpackung wählen, die bei normalen Lagerbedingungen kaum Nachteile aufweist. Bei der DFM-09 werden in diesem Falle jeweils zehn Sonden in einem Karton verpackt. Zuvor werden jedoch die Sonden in die Kunststoffhüllen gelegt, die in einer benachbarten Behindertenwerkstatt montiert werden, dabei schützt ein Kartonstreifen den Sensorträger. Der Abroller, der fertig montiert von einer Behindertenwerkstatt in Belgien geliefert wird, wird in den Teil der Kunststoffhülle gesteckt, die im Flug den Sensorträger positioniert. Die DFM-17 wird in eine Verpackung mit Karton-Inlay gelegt, die Sonde und Abroller in Position hält. Bei der DFM-17 ist der Stab bereits am Abroller vormontiert und muss vom Anwender nur noch im Deckel der Sonde um den Kabelbinder in Position geklickt werden. Weiterhin haben die Abroller nun keine Kunststoffhülse mehr, sondern eine Pappscheibe auf der Oberseite und werden ausschließlich mit grünen Ballons bestückt.
Abroller für die DFM-09 Und für die DFM-17
Ich habe während meines Praktikums zahlreiche Einblicke in die Produktion und Entwicklung erhalten und vermutlich um Größenordnungen mehr Radiosonden in den Händen gehalten, als ich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten wieder einsammeln kann. Hierfür möchte ich mich beim ganzen Team von Graw und Noris herzlich bedanken, insbesondere bei Frau Christina Flohry, Herrn Florian Schmidmer und Herrn Norbert Traeger!